In jedem Fall stoßen wir noch bevor wir uns auf eine Umsetzung einigen könnten an existenzielle Fragen die auf die Urfrage nach der Bedeutung des Menschen, oder eventueller Überbleibsel einer menschlichen Spezies nach der Mutation jeglicher Indizien für Menschlichkeit zulaufen. Sind wir noch eine Spezies, wenn wir uns nicht mehr direkt steuern? Wenn wir keine materielle Umwelt mehr haben und uns nicht nähren, nicht empfinden sondern selbst simulieren und der Simulation unserer selbst dienen? Sind wir noch menschlich, wenn wir die Form fantastischer Wesen annehmen und uns auf Wunsch animalisch oder kosmisch Verhalten? Wenn wir auch bloße Dinge sein können und alles was wir uns erträumen eine Generation diverser ehemals menschlicher Züge und die zufällige Kollision derer ist? Wo hört der homo sapiens auf? Es wäre zu leicht sich Michel Foucault anzuschließen und bloß dabei zu bleiben, dass der Mensch an sich durch seine kurze Historie ohnehin kein langes Bestehen haben wird und somit auch keine Natur hat.4 Denn ist die Geschichtlichkeit und die damit einhergehende Fortentwicklung des Menschen nicht grade ein Beweis für eine Natur als Grundlage aller Mutation? Und gehe man nun auf den Darwinismus zurück, beziehungsweise die von Charles Darwin zusammengetragenen Thesen zu unserer biologischen Abstammung und Fortpflanzung, so ließe sich doch zunächst festhalten, dass entgegen aller Romantik eines Überwesens, alle bisherigen Belange des Menschen stets auf ein Bestehen in der Gesellschaft und der daraus gefolgerten Möglichkeit der Fortpflanzung bestehen. Dem erhalten unserer Spezies. Zu diesem Zwecke ist auch die Gestaltung unserer soziologischen Systeme und dem Idealismus nicht im Geringsten verwunderlich. Wir brauchen die Hierarchien, um unser Rudelverhalten zu ermöglichen und das Belohnungssystem, um einen zivilisierten Umgang zu wahren. Alles in allem brauchen wir einander und die Ordnung unserer Selbst und unseres Umfelds, um fortzubestehen. In Letzterem Punkt verlassen wir bereits die rein wissenschaftliche Sicht und gehen über Aristoteles in die philosophische Ergänzung des Natur Gedankens. Müssten wir uns nur profilieren und funktionieren, um zu bestehen und unser Gen Gut zu verbreiten würden sich vor allem psychische Volkskrankheiten nicht erklären lassen. Die wissenschaftliche Natur oder auch die unterbewussten Triebe eines jeden sind eben jenes: unterbewusst. Daher erfüllen sie nicht die notwenige Erklärung unseres menschlichen Sinngehalts. In dem Bewusstsein unserer Selbst bestreben wir eine Klärung der Sinnfrage. Wir brauchen eine Funktion, die nicht wissenschaftlich rational ist um unser, das Unterbewusstsein interpretierende, Bewusstsein zu besänftigen. Das ist allein bereits eine weiter Natur des Menschen. Diese Frage hat Aristoteles ebenfalls in seiner Nikomachischen Ethik beantwortet. Es ist ein egoistisches, oder auch individuelles, Bedürfnis nach Glückseligkeit, das jeder offen oder geschlossen anstrebt. Man könnte dieses Streben auch Trieb5 nennen, scheint es doch ebenso intuitiv und kollektiv verbreitet zu sein. Die Auswirkungen der philosophischen, oder möglichweise sozialphilosophischen, Natur sind ebenfalls ähnlich der biologischen Erklärung. Sie unterstützt eine Gesellschaft, indem Wertesysteme erfüllt werden, um Wertschätzung und somit Prestige zu erhalten.
Um nun von der Frage nach einer Natur des Menschen zurück auf den zukünftigen Naturgehalt des Gesellschaft in einer Utodystopie zurückzukommen, möchte ich meine im Ansatz bereits besprochene These vertreten, dass uns einige dieser Bestrebungen anhaften werden, solange unsere Genetik sich nicht vollkommen in Immaterialität verwandelt. Solange Genetik besteht und wir unser Ziel des Fortbestandes meistern wird die Glückseligkeit unsere Ethik erhalten und eine simulierte Gesellschaft dieses Gefühl nicht ersetzen können. Der Sprung von einem Bewusstsein über simulierte Prestige und einer Auslöschung eben jenes Wissens wäre nicht im Bereich unseres Interesses. In dem Moment, in dem wir uns negative Beispiele programmieren und allesamt selbst dem Ideal entsprechen können geht unsere Belohnung gänzlich verloren und somit unsere Aussicht auf Glückseligkeit. Sollte durch eine enorme Gesellschaftliche Manipulation oder dergleichen ein Sprung in eine vollkommene Virtualität geschafft werden in der unser Bewusstsein über die Simulation gelöscht wird, ist es nur noch schwer greifbar, ob uns die künstliche Randomisierung der Systeme aufgrund der fehlenden Urteilskraft genügt um auch eine (durch künstliche Hierarchien erworbene) Glückseligkeit zu imitieren. Sollte das Ziel dieser neuen Art der künstlichen Existenz vollkommene, individuelle Freiheit sein, so schließt sich jegliches Kollektiv und jegliche Gesellschaft aus. So schließt im Grunde das Erlangen totaler individueller (isolierter) Freiheit an sich bereits eine Glückseligkeit aus, da die Kalkulation unfreier Momente notwendig ist, um sie zu Erlangen. Ein weiterer Wiederspruch besteht in der fiktiven Interaktion, die in vollkommener Freiheit wohl zunächst immer zugunsten des Selbst stattfindet. Auch hier müsste eine starke KI eigenständig gegen uns Arbeiten können, um eine Behauptung unserer Selbst zuzulassen. Dies bedeutet Manipulation. Ein Gegensatz zu Freiheit. Die einzige Möglichkeit unsere sozialphilosphische Natur in einer totalen Virtualität zu erhalten ist ein neuer Glücksbegriff oder ein neuer (Un-)Mensch. Menschlichkeit und vollkommene Freiheit scheinen sich in jedem Szenario auszuschließen.